Spion Auto

Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke

Datensammler Auto

Dass moderne Autos alles mögliche über uns speichern, vom Ort über Tempo bis Bremsverhalten und Lenkbewegungen, ist schon fast Allgemeingut. Was aber weniger oft geschrieben wird: 1. Dass die Fahrzeughersteller exklusiv diese Daten für sich verwerten und nicht an die Autohalter herausgeben. Und 2., dass die Mobilfunkkonzerne die Vernetzung und die Datenverarbeitung aus Autos massiv promoten. Dazu passt gut, dass Vodafone dieser Tage eine kleine Telematikfirma in Italien gekauft hat, Cobra Automotive. Für schlappe 142 Mio. Euro, wenig im Vergleich zu den 11 Mrd. Euro für Kabel Deutschland Anfang des Jahres. Aber viel für eine kleine Firma mit eben jenen 142 Mio. Jahresumsatz. Normalerweise kauft man eine Firma zum fünf bis zehnfachen des Gewinns – wie hoch der bei Cobra ist, bleibt unklar. Wen wundert’s: Vodafone hat schon so eine Firma. Denn für die S-Direkt Autoversicherung, dahinter stecken die deutschen Sparkassen, wickelt Vodafone die Telematik-Dienste einer Spezial-Autoversicherung ab. Der Clou dabei: man lässt sich eine Speicherbox (gebaut von der Vodafone-Beteiligung Masternaut) ins Auto bauen, die holt sich Ort, Zeit, Tempo sowie Bremsverhalten aus der Autoelektronik und funkt das nach London. Dort sitzt Vodafone-Dienstleister TeleCityGroup und wertet das Datenprofil aus. Zwar bekommt die deutsche Versicherung nur eine anonymisierte Datensammlung ihres Kunden zurück – aber da muss man in NSA & GCHQ-Schnüffel-Zeiten wohl schon an das Gute in den Firmen glauben.

Geschäft mit den Daten

So baut sich Vodafone, und was Telekom oder Telefonica tun, wissen wir bloß nicht so gut, ein kleines feines Geschäft mit den Auto-Daten auf. Denn die Gewinne im herkömmlichen Telefonie- und SMS-Geschäft sinken. Klar können die Mobilfunk-Konzerne noch eine Weile mit den steigenden Smartphone-Anwendungen Geld hereinholen. Aber danach kommt das Internet der vernetzten Dinge – und Autos können eine Menge Daten liefern, die ja irgendeiner transportieren soll/muss/will. Da streckt man doch besser rechtzeitig den Finger in die Höhe.

Autohersteller sitzen auf den Daten

Nicht zu vergessen der zweite Punkt: Die Autohersteller sitzen auf den Daten. Und geben sie nicht raus – sagt die Polizeigewerkschaft, die damit gerne Unfälle gerechter aufklären würde. Sagen viele Unfallsachverständige, die kaum noch herkömmliche Crash-Indizien wie Bremsspuren auswerten können. Keiner hat’s gesehen, keiner sagt die Wahrheit – bloß die Autodaten, die bleiben wie sie sind. Jedenfalls meistens, wenn nicht die Feuerwehr nach dem Unfall zu brachial den Strom abklemmt. Doch leider heute Enttäuschung: Der Motor-Diagnose-Stecker liefert nur Hieroglyphen. Warum? Weil die Software zur Entschlüsselung nur die Hersteller haben. Und da muss ein Richter oder ein Staatsanwalt schon sehr sehr wollen, dass die Daten herausgerückt werden, damit so ein Autokonzern reagiert. Dabei weiß man in der Branche z. B. von den Autos mit den drei großen Buchstaben: Alles, was sich mit Sensoren messen lässt, landet in München im Servicecenter. Wenn da mal ein Hacker einbricht, dann können sich alle Seitenspringer und -Innen des Landes besser gleich einen Anwalt suchen. In den teuren Autos freut man sich ja vielleicht sogar, wenn einen das Werkstatt-Auto ohne lange Suche auf der Landstraße bei Pusemuckel findet. Aber so für Jedermann und Jederfrau ist das eher spukig, dass mein Autobauer immer weiß wie schnell ich gerade wohin gefahren bin, um dort wie lange mein Auto stehen zu lassen, bevor ich viel zu lange auf der Autobahn nachts nicht immer geradeaus fahre. Wem gehören diese meine Autodaten? Der Auto-Verband schrieb mir auf eine Anfrage im WDR-Auftrag, das gehöre alles nicht den Menschen/Fahrern/Besitzern, weil es technische und nicht personenbezogene Daten seien. Großartig: Das Auto fährt von alleine? Meine Ziele haben nichts mit mir zu tun? Mein Tempo ist nur technisch, also gilt kein menschliches Gesetz wie „50 in der Stadt“??

Luft nach oben in der Logik

Ich glaube, da ist noch Luft in der Logik – mal schau’n, wann es einer merkt. Wahrscheinlich erst, wenn ein wichtiger Mensch aus Politik oder Wirtschaft in einen richtig üblen Unfall verwickelt ist und seine Unschuld mit den Daten seines Autos beweisen kann.
Woher ich das alles weiß? Einige Monate Recherche, Gespräche mit vielen aus der Branche von Versicherungen über Verkehrsrichter bis zu Auto-Sachverständigen quer durch die Republik, sowie Vorträge und Fachartikel. Daraus wurde auch ein Film, zu sehen in der WDR-Mediathek hier: http://www1.wdr.de/fernsehen/ratgeber/markt/sendungen/autoversicherung116_ch-4.html

Autor: Marcus Bednarek, MedienMeister

Dieser Beitrag wurde unter KölnKariert abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Spion Auto

  1. Thomas Rücker schreibt:

    Ihre Recherche weist doch einige Mängel auf oder um es mit Ihren Worten auszudrücken, da ist noch „Luft nach oben“. Dass die Sparkassen DirektVersicherung AG direkt mit Vodaphone kooperiert und dieser Anbieter die Abwicklung für den „Telematik-Sicherheits-Service“ übernimmt ist jetzt neu. Oder anderes ausgedrückt dieser Punkt ist schlichtweg falsch von Ihnen beschrieben.

    Auch über die Verflechtung von masternaut und dem genannten Telefonanbieter liest man nur bei Ihnen.

    Es ist schade, dass es weniger gut in die geführte Diskussion passt, darauf hinzuweisen, dass die Datenschutzbehörde frühzeitig über die Datenhaltung innerhalb des neuen Services infomiert wurde und an dem eingeschlagenen Weg der „getrennten Datenkreise“ (1. der techn. Dienstleister erhält und speichert keine persönl. Kundendaten und 2. der Versicherer erhält keine Fahrtdaten, außer einen Monatsscore und den gefahrenen Km) nichts zu bemängeln hatte. Leider ist auch verständlich, warum Ihr Kommentar dann den obligatorischen „NSA“-Hinweis enthält, anstatt Fakten zu betrachten.

    Like

    • bedtv2014 schreibt:

      Lieber Herr Rücker, gern würde ich hier total exklusive Dinge schreiben, aber nicht immer ist mir das vergönnt. So schrieb über die Verbindung von Vodafone zu Masternaut und wie die S-Direkt das nutzt, die c/t im Februar-Heft 2014. In meinem Artikel hier und im WDR-Film habe ich diese sehr hintergründigen Verflechtungen etwas vereinfacht, und ja, in London sitzt ein Telefonica-Ableger im Haus des IT-Dienstleisters TeleCityGroup, um Daten auszuwerten, die ein Auto-Datenschreiber schickt, den eine Firma baut, an der auch Vodafone beteiligt ist…. – aber ehrlich gesagt: das ist toll zu wissen in einem Nerd-Blog, aber der wollen wir nicht sein.
      Ansonsten kümmere ich mich in meinem Blog weniger um die Hoffnung der S-Direkt, mit dem Geschäftsmodell ‚meine Auto-Daten geb‘ ich her, dafür bekomm‘ ich Rabatt bei der Kfz-Versicherung‘ Geld zu verdienen. Sondern gebe die Bedenken vieler wieder, und meine eigenen, ob ich Firmen glauben will, die mit Daten Geld verdienen wollen, dass deren derzeit total unregulierte Daten-Sammlung und Speicherung und Verarbeitung von wie ich finde sehr persönlichem Wissen über mein wo-und-wann ich bin, angemessen ist. Da habe ich Zweifel. Dass die Datenschützer nix gegen das S-Direkt Modell hatten, ist korrekt. Sie konnten nur auf der Basis des Plans urteilen und nur auf Basis der Gesetze. Zur Verarbeitung von Autodaten gibt es aber derzeit kein Gesetz, noch nicht mal ein Urteil einer mittleren oder hohen Instanz. So im Daten-vollen, aber rechtsfreien Raum kann man schon mal etwas gut heißen, was keiner kennt. Von der NSA wussten wir auch nicht wirklich viel bis vor einiger Zeit…

      Like

Hinterlasse einen Kommentar